© Tina Eckhorst
_ Die Arbeit an der Wand wurde in gut einer Woche verrichtet. Währenddessen gab es täglich einen Eintrag in das «Online-Wandtagebuch». Alle Einträge können im Folgenden nachgelesen oder im Original mit kleinen Videos und Bildern auf myspace betrachtet werden.
Wandtagebuch Teil 1: 1. Tag, 19. Juli 2009
Um auf die Arbeit des Exzellenzcluster Entzündungsforschung (inflammation-at-interfaces.de) aufmerksam zu machen, soll an einer Kieler Wand (35 m lang, an der höchsten Stelle 4 m hoch) ein großformatiger Comic entstehen, der die Krankheit Morbus Crohn erklärt, und Betroffene zu Wort kommen lässt.
Nach einer Trockenübung im Zimmer auf Papier in Originalgröße, soll es am Sonntag, 19. Juli 2009 mit dem Malen auf der Wand losgehen. Polizei und Ordnungsamt sind informiert, Projektor zum Übertragen der gezeichneten Comicbilder ist da, Michel ist da, Tina ist da. Es soll losgehen. Draußen: Regen, wetter.com zeigt eine Unwetterwarnung an. Enttäuschung. 18.00 Uhr: Regen hört langsam auf, Wand ist trocken. Michel bekommt eine große Heckenschere, Tina nichts und ich ein Brotmesser. Zu dritt wird in Windeseile sämtliches Gestrüpp von der Wand entfernt. Ich komme mir vor wie Rambo im Unterholz. Michel verfällt der Heckenschere und Tina rupft auch ganz ordentlich. Fundsachen u.a.: Halber Staubsauger, Monitor, Buch, Tannenbaum, Plakat und natürlich Hundehaufen.
Michel verschwindet. Regen bleibt aus, aufatmen. Per 100 m-Kabel bringen Tina und ich Strom zur Wand. Aber zur Projektornutzung ist es noch zu hell (ca. 20.30 Uhr). Neuer Versuch um 21.30 Uhr, klappt. Das erste Bild wird angefangen, Tina darf neben ihrer Tätigkeit als Kamerafrau und Fotografin große Schwarzflächen ausmalen und freut sich. Ich trete schon sehr früh in den ersten Hundehaufen. Zufällig vorbeikommende Kommilitonen stellen fest, wo der Gestank herkommt. Sehr viele Passanten bleiben stehen, fragen z.T. interessiert nach. Tina dampft ne Weile ab. Es wird kälter, es stinkt und beide Hände scheinen erstarrt. Erste Überlegungen das Projekt in «Blut, Schweiss und Tränen» umzubennen kommen auf. Tina kehrt gegen 2.00 Uhr zurück und darf noch ein paar Schwarzflächen im zweiten bereits angefangenen Bild malen. Zweites Bild wird nicht beendet, weil die Energieresourcen fehlen. Nach dem Aufräumen um 4.00 Uhr im Bett.
Zitate des Tages: «Das is' voll geil, mein Freund!», «Darfst du das?», «Ach so macht man das!», «Ich komme dann nachher noch mal wieder!»
Wandtagebuch Teil 2: 2. Tag, 20. Juli 2009
Aufstehen um 7.30 Uhr, um im Gebäude des Wandeigentümers die Bürokraft anzutreffen und Bescheid zu geben, dass mit dem Malen begonnen wurde. Danach zurück ins Bett, da ja erst um 4.00 Uhr im Bett gewesen. Um 14.00 Uhr kurzes Treffen mit dem Cluster, Beratung, Besprechung. Später diverse andere Dinge erledigen, Telefonate mit dem Cluster + dem vom Cluster beauftragten Kameramann.
Nachmittags: Weitere Farben kaufen, Rest der Wand weiß streichen. Fast jeder zweite Passant bleibt kurz vor Bild 1 stehen.
Michel ist wieder da. Tina hat einen Audiorecorder besorgt, den Michel nutzen will, um für die musikalische Untermalung der Videodokumentation Arbeitsgeräusche aufzunehmen und diese im späteren Instrumentalstück zu samplen. 21.30 Uhr: Der Aufbau für Nacht Nr. 2 startet, Michel trinkt Bier, Tina steht daneben, ich passe Bild 2 vom Vortag mit dem Projektor wieder ein. 22.00 Uhr: Kameramann Michael kommt und startet mit den Aufnahmen. Tina darf wieder Schwarzflächen malen, vermalt sich aber und wird gefeuert. Sie muss wieder neben Michel stehen. Ich male, Tina geht ins Bett, Michel bleibt, um auf Stille für die Aufnahmen zu warten. Michael spricht mit Michel über die Musik für die Videodoku. Block 6 (Bild 9) des Comics wird dem sehr aufwändigen Block 3 (Bild 4) vorgezogen. Michael macht sich vom Acker. 23.30: Ein Plakateigentümer erscheint und vermutet ich würde ohne Erlaubnis malen. Sein Vorhaben die Wand weiß überstreichen zu lassen kann vorerst verhindert werden. Klärendes Gespräch per Telefon am nächsten Tag.
Michel startet mit den Audioaufnahmen. Bild 9 ist fertig.
Zitat des Tages: «Morgen ist die Wand wieder weiß!»
Wandtagebuch Teil 3: 3. Tag, 21. Juli 2009
Aufstehen, morgens in der Hochschule Teile der Wandzeichnungen (Originalformat auf Papier + kleine Ausdrucke) für den kommenden semesterabschließenden Rundgang aufbauen. Kurze Gespräche mit Kommilitonen und Dozent, Telefonat + Mails mit Cluster austauschen.
Nachmittags Tinas Fehler in Block 2 ausbessern, Feinheiten an Bild 9, sowie Vorzeichnen weiterer Panelrahmen.
Sehr viele Leute bleiben stehen, laufen an der Wand entlang und kommen zu mir. Großes Interesse und Zuspruch.
Gegen 21 Uhr zurück an die Wand mit Projektor. Michel ist da und will noch mehr aufnehmen, Rafael und Tina, Judith und Flo gucken vorbei. Das Cluster-Logo kommt an die Wand, sowie Block 3 (Bild 4). Kurz nach 1.00 Uhr zwingt der Regen zum Abbruch, Abbau in Windeseile. Bild 4 ist zum Glück fast fertig geworden und muss nicht neu eingepasst werden, kann so bei Tageslicht beendet werden.
Zitat des Tages: «Sowas habe ich noch nie gesehen, auch nicht in Hamburg.»
Wandtagebuch Teil 4: 4. Tag, 22. Juli 2009
Morgens: Mist, es regnet! Es darf nicht regnen! Nachmittags: Schon besser, Bild 4 wird beendet. Zwischen den «Tagesgeschäften» immer mal wieder kurz hinlegen, um für die Nacht fit zu sein. Tina macht Pizza.
Zitate des Tages: «Wie lange brauchst du dafür?», «Was steht da hinten?», «Das sieht toll aus!» (aus der Ferne)
Mit Sonnenuntergang beginnt das verstärkte Arbeiten an der Wand wieder (21 Uhr ca.). Block 4 (Bild 5) und Block 5 (Bilder 6-8) werden bis auf kleine Feinheiten fertig. Außerdem wird das erste von etwa 17 Portraitbildern mehr oder weniger fertig.
Tina hat Wiedergutmachung in Form von Fotos, Videos und Pizza geleitet und darf darum trotz ihres desaströsen Fehlers am 2. Tag wieder Schwarzflächen schwärzen. Ihr Elan befördert sie alsbald in die hohe Schule des Rotflächen Rotmalens.
Langeweile macht sich nicht breit, während der Arbeit lernt man die Nachbarschaft kennen und die bereits bekannte schaut vorbei. Mittlerweile scheint es regelmäßige Besucher zu geben, außerdem wird Hilfe angeboten.
Die Schicht geht um ca. 3.15 zu Ende.
Zitate der Nacht: «Guck dir das hier doch mal an, ey!», «Schockt, ey!», «Voll fett!», «Damit kannst du Millionär werden!»
Wandtagebuch Teil 5: 5. Tag, 23. Juli 2009
Internetausfall, kein Onlinetagebuch, von der Zivilistation abgeschnitten.
Nachmittags an Feinheiten gearbeitet, nachts an den Portraits weitergemacht. Eine sehr ruhige Nacht, nachdem Zuschauer Flo, Judith, Jannes und Benni nacheinander gegangen sind und auch Tina das Filmen eingestellt hat, kommen keine weiteren Nachtschwärmer vorbei, außerdem kaum Autos, fast schon komisch. Aus dem Grund sehr produktiv, 7 Portraits werden - abgesehen von Feinheiten - fertig. Die Schicht endet etwa um 3.00 Uhr.
Zitat des Tages: «Wuff, wuff!»
Wandtagebuch Teil 6: 6. Tag, 24. Juli 2009
Internet geht wieder. Tagsüber schüttet es wie aus Eimern, in einer kurzen Ruhephase können allerdings schon ein paar Panelrahmen und Sprechblasen an die Wand gebracht werden. Wieder halten viele Leute an. Eine Analphabetin erkundigt sich, worum genau es geht.
Abends baue ich auf. Eine Leiter ist jetzt vorhanden und als ich noch alles hinschleppe, steht Michael schon zum Filmen vor der Wand (Kamera für den großen Rundumblick auf dem Autodach).
Während des Malens wird mir die Zeit durch einen Überraschungsbesuch einer ehemaligen Lehrerin versüßt, dazu ihr Mann und später Tina. Kurz nachdem alle verschwunden sind, taucht Michael für eine weitere Film-Session auf. Danach wird nahezu bis zum Ende durchgemacht, Ende diesmal gegen 3.15 Uhr. Soweit alles fertig, für den nächsten Tag steht nur noch der «Feinschliff» an.
Zitat des Tages: «Das is' aber nich' Schweinegrippe, oder?», «Ah, guck mal, er malt immer noch.», «Toll!»
Wandtagebuch Teil 7: 7. Tag, 25. Juli 2009
Die letzten Striche werden an der Wand gemacht, die Elternschaft schaut spontan vorbei und die Sache kommt maltechnisch zum Abschluss.
Zitat des Tages: «So, fertig.»
Tim Eckhorst, timeckhorst.de